Art9 Edition

Phantom - Die Klassiker #3

von Lee Falk & Ray Moore
145 Seiten • DIN A4 quer
4c/4c 350g Cover • 1c/1c 90g Kern
€ 21,00
https://art9.at/phantom/


Diese dritte Sammlung der frühen Phantom-Abenteuer wirkt wie eine sorgfältig geöffnete Zeitkapsel, in der das Abenteuerpulver der späten 1930er noch immer frisch knistert. Die Restaurierung lässt die Linien Ray Moores so klar erscheinen, als hätten sie gerade erst den Zeichentisch verlassen, und zugleich bleibt dieser leichte Rauchschleier erhalten, der den alten Zeitungsstrips ihren unverkennbaren Charme verleiht. Die Edition ist großformatig genug, damit die Figuren nicht nur laufen, sondern fast schon aus dem Seitenpanorama treten. Drei Geschichten, drei kleine Welten, verbunden durch die geheimnisvolle Autorität des Mannes in Purpur.

Kleiner Toma – Die Spur eines verlorenen Kindes

In der ersten Geschichte trifft Phantom auf den kleinen Toma, einen Jungen, der zwischen Hoffnung und Gefahr schwebt. Seine Entführung löst eine Kette von Ereignissen aus, die den Geist der frühen Abenteuerliteratur atmend macht: dichter Dschungel, flackernde Lagerfeuer, und ein Held, der mehr Schatten als Pose ist. Die Handlung entfaltet sich mit der Unmittelbarkeit eines alten Radioserien-Kapitels, doch durch die restaurierten Zeichnungen bekommt sie eine neue visuelle Klarheit, die den emotionalen Kern des Jungen betont.

Die Dynamik zwischen Phantom und Toma, halb Beschützer, halb mythische Erscheinung, trägt die Geschichte – doch man merkt auch, dass die Erzählung gelegentlich in schnellen Übergängen arbeitet, wie es für die Episodenstruktur der Zeit typisch war. Die Spannung bleibt dennoch zuverlässig hoch, und Moore verleiht selbst den stillen Momenten eine fast lautlose Dramatik. Die Geschichte überzeugt durch ihr Herz, auch wenn manche Wendungen modisch überzeichnet wirken. Dennoch bleibt sie ein eleganter Einstieg in diesen Band.

Kleiner Toma ist übrigens keine deutsche Erstveröffentlichung, die Geschichte erschien bereits als „Das Geheimnis um Tomasin“ im Super Sonderheft Nr. 8 (1972) Moewig Verlag. Das Heft liegt leider nicht zum Vergleich vor.

Der Gefangene des Himalaya – Ein Fremder in der weißen Stille

Die zweite Geschichte bricht abrupt aus dem tropischen Grün aus und führt in die karge Weite der Himalaya-Region. Das Phantom wirkt in dieser Umgebung wie ein wanderndes Rätsel, das sich in einem Schneesturm manifestiert. Die Begegnung mit einem Mann, der in den Bergen gefangen gehalten wird, verwandelt das Abenteuer in eine Mischung aus Rettungsmission und Spionagethriller, wobei die Landschaft immer wieder zur heimlichen Hauptfigur wird.

Moores Zeichnungen nutzen das Weiß der Seiten nicht als Leere, sondern als Raum, in dem Gefahr, Erschöpfung und Entschlossenheit schweben. Die Panels bekommen eine fast frostige Stille, die die Einsamkeit der Figuren greifbar macht. Erzählerisch zeigt sich die Geschichte ambitionierter: politische Untertöne, kulturelle Begegnungen und die Frage, wie weit Mut tragen kann, bevor er in Verzweiflung kippt.

Kritisch betrachtet ist die Motivation mancher Nebenfiguren eher funktional als glaubwürdig, aber das schmälert die atmosphärische Kraft kaum. Dieser Mittelteil ist der ernsthafteste des Bandes, getragen von einer eiskalten Eleganz, die lange nachhallt.

Abenteuer in Algier – Masken, Intrigen und ein Held im Schatten der Gassen

Das letzte Abenteuer verlegt das Phantom in die verworrenen Straßen von Algier, wo die pulsierende Mischung aus Handel, Varieté und verborgenen Hinterhöfen ein lebendiges Spielfeld für Intrigen wird. Die Geschichte entfaltet sich wie ein Bühnenstück, in dem niemand wirklich das Gesicht trägt, das er vorgibt zu haben. Das Phantom, ohnehin eine Figur voller Inszenierung, wirkt hier fast wie ein Teil des Stadtgewebes: ein Schatten, der sich zwischen Mauern und Menschen bewegt.

Die Handlung nimmt Schwung auf, sobald der Held tief in ein Netzwerk von Entführern und Betrügern gerät. Jeder Schritt in der Stadt scheint von neugierigen Augen beobachtet, und Moore fängt diese Atmosphäre mit einem rhythmischen Wechsel aus engen, dunklen Panels und großzügig geöffneten Stadtansichten ein. Der Ton ist leichter als im Himalaya-Abenteuer, doch er bleibt deutlich erwachsener als die meisten Strips jener Epoche.

Die Geschichte glänzt durch ihr Tempo und den kunstvollen Spielraum, den Moore sich bei Gesten und Blicken erlaubt. Der einzige echte Kritikpunkt liegt im abrupten Ende, das die Lösung etwas zu schnell herbeizaubert. Doch der Weg dorthin ist so raffiniert komponiert, dass man dem Finale diese kleine Ungeduld gern nachsieht.

Fazit
Phantom – Die Klassiker #3 präsentiert drei Abenteuer, die zeigen, warum diese Figur zu den langlebigsten Helden des Comicfrühwerks gehört. Die Restaurierung holt die ursprüngliche Kraft der Moore-Zeichnungen ans Licht, ohne den historischen Charakter zu glätten. Jede Geschichte besitzt ihren eigenen Atem: das warme, bewegliche Herz von Kleiner Toma, die frostige Ernsthaftigkeit von Der Gefangene des Himalaya und die lebendige Eleganz von Abenteuer in Algier.

Eine Sammlung, die nicht nur begeistert, sondern auch eindrucksvoll in Erinnerung ruft, wie früh das Phantom begann, zu einem weltweiten Mythos zu werden.

Phantom – Die Klassiker (Band 1 & 2)

Phantom – Die Klassiker Band 1 und 2
Lee Falk & Ray Moore – Art9 Edition
https://art9.at/phantom/

Mit der Veröffentlichung der klassischen Phantom-Dailies in deutscher Sprache schließt Art9 eine Lücke, die Fans von Abenteuer- und Zeitungscomics lange schmerzlich gespürt haben. Der Geist, der wandelt – jene schattenhafte Sagengestalt, die lange vor Superhelden-Ikonen wie Batman oder Superman das Genre prägte – bekommt endlich die editorische Wertschätzung, die ihm im deutschen Sprachraum bisher weitgehend verwehrt blieb. Bereits die ersten beiden Bände zeigen eindrucksvoll, wie bedeutsam Lee Falks Schöpfung für die moderne Popkultur ist und wie faszinierend diese frühen Abenteuer auch heute noch wirken.

In der ersten Ausgabe findet sich die Story „Die Singh-Bruderschaft“ (original: *The Singh Brotherhood*), jener Strip, der am 17. Februar 1936 begann und bis zum 7. November 1936 lief. Er führt unmittelbar in das Herz der Phantom-Mythologie. Die titelgebende Bruderschaft – eine rätselhafte Piratenorganisation – fungiert als idealer Gegner und verdeutlicht schon in der ersten großen Geschichte, wie fesselnd Falks Mischung aus exotischen Schauplätzen, geheimnisvollen Legenden und klassischer Abenteuerliteratur ist. Der Phantom selbst erscheint hier noch als mystische Kraft, weniger als identifizierbarer Mensch – ein Kunstgriff, der die Figur umso ikonischer macht. Ray Moores Zeichnungen tragen dazu erheblich bei: dunkel, atmosphärisch, gelegentlich roh, aber stets mit eleganten Linien und einem Gespür für dramatische Schatten. Manche Panels wirken heute fast wie frühe Film-Noir-Kompositionen; die Nähe zum Pulp-Magazin-Stil jener Zeit ist unverkennbar und verleiht dem Band einen unwiderstehlichen, zeitlosen Charme.

Die zweite Ausgabe kombiniert zwei klassische Geschichten: „The Sky Band“ (9. Nov. 1936 – 10. Apr. 1937) sowie „War in the Jungle“ (auch bekannt als *The Diamond Hunters*, 12. Apr. 1937 – 18. Sept. 1937) – beide wiederum von Lee Falk geschrieben, Ray Moore zeichnete.
„War in the Jungle“ führt die Entwicklung konsequent fort. Besonders „The Sky Band“ zeigt, wie souverän Falk mit starken weiblichen Figuren umging – lange bevor diese im Mainstream-Comic selbstverständlich wurden. Die fliegende Banditinnentruppe ist nicht nur ein ungewöhnlicher Widersacher, sondern auch Ausdruck jener Mischung aus Romantik, Exotik und wagemutigem Abenteuer, die Phantom-Geschichten so unverwechselbar macht. „War in the Jungle“ wiederum kehrt stärker zu klassischen Dschungel-Motiven zurück, verzichtet jedoch nie auf die psychologische Dimension der Figur. Der Phantom ist hier bereits weniger Schreckgespenst und mehr moralischer Wächter – ein Vorläufer jener stoischen Heldenfigur, die später so viele Superhelden prägte.

Die editorische Umsetzung verdient besondere Anerkennung. Die Übertragung ins Deutsche ist modernisiert, ohne den historischen Tonfall zu opfern. Die Neu-Letterung sorgt für Lesbarkeit, ohne den rhythmischen Charakter von Zeitungs-Strips zu zerstören. Bildqualität und Reproduktion wirken sorgfältig und respektvoll: Natürlich bleiben die leichten Unschärfen und Druckstrukturen der Originale erhalten – doch gerade das trägt zum historischen Flair bei und lässt die Seiten wie das lebendige Zeitzeugnis wirken, das sie sind.

Inhaltlich gewinnen die Bände durch ihre Einbettung in den frühen Comic-Kontext: Man spürt die Geburtsstunde des seriellen Abenteuererzählens, die noch ungelenk sein könnte, tatsächlich aber erstaunlich kompositorisch stark daherkommt. Falk verstand es, Spannung über Monate aufzubauen, und genau dieses episodische Momentum trägt die Bände auch heute.

Fazit:
Die ersten beiden Ausgaben von Phantom – Die Klassiker sind ein Glücksfall. Nicht nur für Sammler historischer Comics, sondern auch für Leser, die verstehen wollen, woher moderne Heroen-Archetypen stammen. Lee Falks erzählerischer Instinkt und Ray Moores visuelle Eleganz entfalten in dieser Werkausgabe ihre volle Wirkung. Dass diese Abenteuer fast neunzig Jahre alt sind, merkt man – allerdings nur im besten Sinne. Sie sind nostalgisch, aber nie antiquiert; archaisch im Ton, aber brillant in Stimmung und Tempo.

Wer klassische Abenteuercomics liebt, erhält hier nicht nur ein Stück Comicgeschichte, sondern ein mit Respekt und handwerklicher Sorgfalt ediertes Werk, das Spaß macht, spannend bleibt und die Faszination einer Figur feiert, die vielen den Weg bereitete – lange bevor Masken und Capes das Genre dominierten.

Ein Auftakt, der Lust auf mehr macht.

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